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26.7.2000
"Klärung auftretender Zweifelsfälle"
Wissenschaftler, Verlage, Politiker streiten über Änderungen der Rechtschreibreform

Von Dankwart Guratzsch

Berichte der WELT über bevorstehende Änderungen der Rechtschreibreform haben bei Kultusministern, Rechtschreibkommission und Verlagen heftige Reaktionen ausgelöst. Der Vorsitzende der Rechtschreibkommission Gerhard Augst erklärte im InfoRadio Berlin-Brandenburg, in neuen Auflagen der Wörterbücher werde keine "Reform der Reform" vorgenommen, sondern es gehe allein um die "richtige Interpretation der amtlichen Regeln". Bis 2005 werde sich "an der neuen Rechtschreibung schon gar nichts ändern".

Duden-Sprecherin Anja zum Hingst sagte: Die Darstellung der WELT, wonach eine Expertenkommission tief greifende Veränderungen plane, die Wörterbuchverlage Bertelsmann und Duden umgehend Konsequenzen gezogen hätten, sei "ausgemachter Blödsinn". Vorsichtiger äußerte sich Duden-Redakteurin Kathrin Kunkel-Razum: "Da finden wir die Überschriften (der Zeitung) unzutreffend."

Tatsächlich hatte die WELT unter Berufung auf den Erlanger Sprachwissenschaftler Theodor Ickler, darauf hingewiesen, dass der neue Duden, der am 25. August erscheint, "amtliche" Schreibungen zurücknimmt, die er in seiner ersten Auflage nach den neuen Regeln verbreitet hatte. Dem Umfang nach erreichten diese Änderungen allein für Verben wie "wiedersehen" (das jetzt wieder zusammengeschrieben wird) laut Ickler "rund 2000 Wortformen pro Jahrgang der WELT". Einschränkend hatte es geheißen, dass der Duden im Übrigen jedoch "bei den Regeln der Erstfassung der Reform" stehen bleibe. Daraus ergebe sich eine weitere "Hausorthografie". Denn die Rechtschreibkommission selbst halte an diesen Regeln gar nicht mehr fest. Sie habe bereits im Januar 1998 tief greifende Eingriffe in das von ihr selbst erarbeitete Regelwerk für "unumgänglich notwendig" erklärt. Diese Änderungen seien zwar von der Kultusministerkonferenz zumindest für die Schulen bis heute ausdrücklich blockiert worden. Dennoch habe sich die Kommission diese "Reform der Reform" für eigene Publikationen stillschweigend bereits zu eigen gemacht. Ein Beispiel dafür sei das neue Familienwörterbuch der deutschen Sprache des Kommissionsvorsitzenden Augst.

Dass die Rechtschreibreform bis 2005 gründlich überarbeitet wird, ist auch nach den Worten des Erlanger Sprachwissenschaftlers Horst Haider Munske eine "allbekannte Tatsache". In diesem Zusammenhang unterstrich Munske gegenüber der WELT die bedeutende Rolle der Verlage: "Eine Mitverantwortung für die Rechtschreibreform haben zweifellos die Zeitungs- und Buchverlage. Wenn die natürlich obrigkeitshörig alles schlucken, was die Kultusminister den Schulen verordnet haben, dann darf man sich auch nicht wundern, wenn es ab 2005 allgemeingültig eingeführt wird."

Anders als Munske, der der Rechtschreibkommission selbst angehört hatte und aus Protest gegen deren Dilettantismus ausgetreten war, behauptete auch die Sprecherin der Kultusministerkonferenz in Bonn, Anne Rother, den vermeintlichen Änderungen an der Reform handle es sich lediglich um Bemühungen zur "Klärung auftretender Zweifelsfälle". Eine solche Klärung hatten die Kultusminister bereits 1997 ausdrücklich bei der Kommission angemahnt, da Linguisten wie der Potsdamer Sprachprofessor Peter Eisenberg die Abweichungen in den Wörterbüchern auf 8000 Fälle beziffert hatten. Bis heute hat die Kommission die damals vom Präsidenten der Kultusministerkonferenz, Rolf Wernstedt, angemahnte Auflistung derartiger Fälle nicht vorgelegt. Auch eine umfassende Wörterliste nach den neuen Regeln blieb sie bis heute schuldig.

Für Fachleute in den Wörterbuchverlagen ist daraus eine schwierige Situation erwachsen. Auf Anfragen der WELT, wie denn nun künftig nach den (neu ausgelegten) neuen Regeln so gebräuchliche und früher unstrittige Wörter wie "wiederkommen", "wiederaufbauen", "aufsehenerregend", "glattstellen", "gleichstellen" geschrieben werden sollten, musste Duden-Sprachberater Werner Scholze- Stubenrecht immer wieder um Geduld bitten: "Moment mal, bitte. Da muss ich noch mal nachschauen."


Quelle: Die Welt; per Mail geschickt bekommen...

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